„Refugees Welcome“ Demo vom „Wir können sie stoppen“ Bündnis

Wir möchten hier die beiden Reden vom Bündnis „Wir können sie stoppen“ und vom Flüchtlingsforum veröffentlichen:

Wir können sie stoppen:

„Ich stehe heute hier, weil mich der Rassismus in diesem Land zornig und wütend macht.

Ich bin nicht hier um Refugees die Stimme zu nehmen, denn sie haben mindestens genauso viel zu sagen wie ich. Ich stehe hier, weil ich den Kampf von Refugees um eine Zukunft als meinen Kampf begreife.

Und..

Ich bin wütend, wenn ich dumme Sprüche auf der Straße oder im Bus höre. Wenn Menschen wegen ihres Aussehens nicht mit mir in die Disko gehen können. Wenn sie im Rahmen des „racial profiling“ immer wieder von der Polizei kontrolliert werden, ich aber nie.

Ich bin wütend auf diesen feigen Brandanschlag, auf die geplante Flüchtlingsunterkunft in Kücknitz, wo der Brandstifter offenbar glaubte im Einverständnis mit einer breiten gesellschaftlichen Stimmung zu handeln.

Ich bin wütend, wenn Menschen in meiner Umgebung Angst vor Abschiebung haben. Wenn sie Angst haben vor dem nächsten Termin auf der Ausländerbehörde oder davor, dass im Morgengrauen die Polizei vor der Tür steht.

Ich bin wütend, wenn Leute denken, Griechen würden ihre Steuergelder verprassen oder wenn deutsche Politiker und Journalisten sich anmaßen, Griechenland Hausaufgaben zu erteilen.

Ich bin wütend und fassungslos angesichts des tausendfachen Sterbens der Menschen im Mittelmeer. Die dort jämmerlich ertrinken, weil Europa es nicht schafft, allen, die vor Not und Krieg fliehen, einen sicheren Weg zu uns zu öffnen.

Ich bin wütend über die Ankündigung der EU, Militär gegen Flüchtlingsboote einsetzen zu wollen. Über die Verlogenheit mit der die Schlepper verdammt werden, während es die eigene Politik der Abschottung ist, die die fliehenden Menschen auf immer gefährlichere Wege zwingt.

Ich bin wütend, wenn in Lübeck einer rassistisch argumentierenden Initiative mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird als den Interessen und Bedürfnissen der Refugees. Und ich könnte platzen vor Wut, wenn Politiker – und zwar nicht nur die Hetzer von der AfD und dem rechten Rand der CDU, sagen dass wir die Sorgen der Menschen vor der „Belastung durch Flüchtlinge“ ernst nehmen müssen.

Gar nichts müssen wir ernst nehmen,

denn diese angeblichen Sorgen sind nichts als billiger und hässlicher Rassismus.

Es ist das Wechselspiel aus offenem und institutionellem Rassismus, was dafür sorgt, dass es statistisch gesehen morgen wieder einen Brandanschlag geben wird. Das klingt zynisch, aber es ist die Wahrheit mit der wir es zu tun haben. Wir haben ein Rassismus Problem. Der Brandanschläge in Kücknitz macht uns nicht nur betroffen, er ist nicht nur verachtenswert, NEIN er fordert uns auf Dinge in dieser Welt zu verändern.

Und dann merke ich, dass in meiner Wut auch eine Kraft und Hoffnung steckt.

So wie die Refugees Welcome Demo im Januar viele Menschen motivierte sich einzubringen.

Hoffnung macht mir auch das breite Bündnis, das diese Demonstration organisiert hat. Die Initiativen, die Parteien, die Gewerkschaften, die Kirchen, die gemeinsam ein Zeichen der Solidarität setzen.

Diese Hoffnung liegt in uns allen, die heute hier auf diesem Platz sind. Die heute einen ersten Schritt machen. So viele Menschen, so viele Schilder mit richtigen Forderungen, so viele Transparente, so viele unterschiedliche Gesichter: Schön, dass ihr alle da seid!

Bei dieser Demo von „Wir können sie stoppen“ und dieser Name ist eine Ansage, nicht nur gegen Neonazis und ihre Aufmärsche, sondern auch gegen alle, die Rassismus verbreiten, befördern oder zulassen. Egal ob Stiefelnazis oder vermeintlich brave Bürger, egal ob sie rassistische Bürgerinitiativen gründen oder ob sie im Bundestag ihre Hand heben für die schlimmste Verschärfung des Asylrechts seit 20 Jahren. Egal ob sie mit Brandsätzen oder mit Worten zündeln:

WIR KÖNNEN SIE STOPPEN!

2 entscheidende Dinge haben wir in den Jahren gelernt, in denen wir Naziaufmärsche blockiert haben.

1.: dass wir nicht warten bis irgendwer da oben, für uns das richtige tut.

Und 2.: Wir in unserm Protest nach unserem Gefühl gehen müssen und nicht nach dem Gesetz.

Im Angesicht der nicht hinnehmbaren Verschärfung des Asylrechts ist es nun unsere Aufgabe etwas zu tun gegen Abschiebungen.

Denn es wird sie in Lübeck geben…

Aber eine Stadt namens Osnabrück macht mir Mut, wenn ich an meine Freunde denke, denen eine Abschiebung droht. Nicht weil die Politik dort so toll wäre, sondern, weil die Menschen dort in die Auseinandersetzung gehen und Widerstand leisten. Dort gab es, wie in Lübeck auch, ein Bündnis gegen Naziaufmärsche. Auch sie haben nicht gewartet bis andere etwas tun. Auch sie haben mit ihren Blockaden gegen das Gesetz verstoßen.

Dann kamen die Nazis nicht mehr, so wie in Lübeck. Aber dieses Bündnis ist wie wir auch, antifaschistisch und antirassistisch. Also haben sich die Menschen in Osnabrück, wie wir, entschlossen, jeder Form des Rassismus aktiv entgegenzutreten. Tagtäglich dem gesellschaftlichen Rassismus und immer wieder dem strukturellen Rassismus. Das Bündnis in Osnabrück hat sich dann entschieden, sich nicht nur Nazis in den Weg zu setzen und nicht weg zu gehen, auch wenn die Polizei kommt. Nein, das Bündnis setzt sich heute auch, teilweise früh morgens um 4 Uhr der Polizei in den Weg, wenn sie Menschen abschieben will. Denn, die, die da abgeschoben werden sollen, sind genauso Menschen, die hier Schutz suchen, viele von ihnen haben Angst um ihr Leben, wenn sie abgeschoben werden. In Osnabrück konnte keine der geplanten Abschiebung im letzten Jahr durchgeführt werden.

Abschiebungen können wir hier genauso verhindern wie Naziaufmärsche.

Ich lade euch ein zum gemeinsamen Willkommensfest. Das Café Welcome im Engel ist so schön, das wollen wir jetzt mal gemeinsam, in ganz groß und draußen stattfinden lassen.

Denn wir wollen beides sein, die Menschen die mit Refugees einen politischen Kampf führen und sie herzlich empfangen.“

Flüchtlingsformum Lübeck:

„In der Nacht vom 28. auf den 29. Juni 2015 kam es im Lübecker Stadtteil
Kücknitz zu einem Brandanschlag auf eine sich dort im Bau befindliche Unterkunft für Geflüchtete.
Mich macht das wütend. Nicht nur, dass knapp 20 Jahre nach dem Brandanschlag auf die Unterbringung in der Hafenstraße es in Lübeck erneut zu einem rassistischen Anschlag kommt. Auch, dass dieser sich in eine traurige Reihe rassistisch motivierter Anschläge in Deutschland einreiht. Und leider auch in einen rassistischen Alltag der sich sowohl institutionell, als auch gesellschaftlich zeigt.
Traurig und betroffen, wenn ich daran denke, was so eine Tat an Gefühlen in den Menschen auslösen muss, die hierher geflohen sind um Sicherheit zu finden.
Anschläge wie diese sind eine Bedrohung für diese Menschen und machen Angst. Sie machen Menschen Angst, die so oder so in ständiger
Angst vor Diskriminierung und Abschiebung leben müssen.
Anstatt Ihnen diese Angst zu nehmen werden sie kriminalisiert und von der Gesellschaft diskriminiert, weil Menschen nicht von ihren Vorurteilen los kommen und es ihnen schwer fällt Rechte, die sie für sich selbst als selbstverständlich erleben auch anderen zuzugestehen.
Sicherheit gehört für mich zu einem dieser Rechte und es sollte allen möglich sein diese zu suchen.
Doch das Gegenteil ist der Fall: Es wird alles Mögliche getan, um einen
großen Teil aller Menschen eben dieses Recht zu verwehren.
Das fängt dabei an, dass Menschen in ihren Herkunftsländern nicht sicher leben können, geht darüber, dass ihnen verboten wird auf sichere Art und Weise in andere Länder zu gelangen bis dahin, dass sie dort wo sie ankommen wollen, nie gewiss sein dürfen, ob sie bleiben können.Wenn Menschen also vor Unsicherheit fliehen, ist also das erste womit sie konfrontiert werden, wenn sie Europa erreichen wollen, ein unsicherer Fluchtweg, der immer gefährlicher wird und auf dem jährlich tausende Menschen sterben.
Doch anstatt Möglichkeiten zu schaffen, sicher nach Europa gelangen zu können, wird die Festung Europa immer mehr aufgerüstet, sei es durch Grenzschutzunternehmen, immer mehr Zäune, oder die Armee. Horror-Szenen, die sich täglich an den Grenzanlagen in der spanischen Exklave in Melilla abspielen sind nur der Höhepunkt einer meschenverachtenden Abschottungspolitik.
Schaffen es Flüchtlinge dennoch, diese Hürden zu überwinden, erwartet sie besonders in den Ländern der europäischen Peripherie,
Lebensbedingungen die fern von Sicherheit und Würde sind. Überfüllte Massenunterkünften in Griechenland und Italien, Gefängnisse und Misshandlungen in Ungarn, Tschechien, Polen, Bulgarien, Kroatien, Lettland.
Und auch innerhalb Europas treffen fliehende Menschen immer wieder auf Grenzen, wie z.b.aktuell immer längere und höhere Zäune in Ungarn und Bulgarien, die es ihnen erschweren weiter zu reisen. Dazu gehöhren auch Wegabschnitte an der griechisch mazedonischen Grenze oder in der Nähe der Häfen vom griechischen Patras, wo sie wie Tiere gejagt werden,
wenn sie dort eine Chance für eine Überfahrt zu suchen.
Kommen diese Menschen nun in Deutschland an, finden sie keine Rast, sondern Gesetze vor, die ihnen das Bleiben so schwer wie möglich machen und eine Gesellschaft in der Rassismus zum Normalzustand gehört.Gesetze, die sie am liebsten in ihre – zum Teil angeblich – ach so sicheren
– Herkunftsländer zurückschicken oder zumindest in ein anderes europäisches Land schieben wollen, ungeachtet dessen, was sie dort für Bedingungen und Misshandlungen erfahren haben.
Es ist für mich nicht vorstellbar, wie sich das anfühlen muss in ständiger Angst zu leben und von Politik und Gesellschaft immer wieder vor Augen geführt zu bekommen, nicht erwünscht zu sein. Aber ich sehe, wie Menschen daran kaputt gehen.
Deswegen kann für mich Solidarität mit Geflüchteten nur bedeuten, dass wir versuchen müssen Geflüchteten diese Angst zu nehmen.
Dafür ist eine Demo wie heute ein Symbol. Aber es darf nicht bei einem Symbol bleiben.
Wir alle müssen fordern, dass Bedingungen geschaffen werden, die es Menschen ermöglicht, ihre Erfahrungen und Ängste zu verarbeiten. Dafür braucht es menschenwürdige Unterbringungen und Betreuung, die auf die individuellen Bedürfnisse Rücksicht nimmt und mehr
therapeutische Hilfe. Dafür braucht es auch eine Gesellschaft, die sich gegen jeglichen Rassismus stellt. Und Rassismus fängt eben nicht erst bei rassistischen
Übergriffen an. Rassismus beginnt mit einer gesellschaftlichen
Stimmung, in der es okay ist, sich gegen Asylbewerber in der
Nachbarschaft auszusprechen und Menschen danach eingeteilt werden,
wie verwertbar sie für die Wirtschaft sind. Und Rassismus zeigt sich in Gesetzen und ihrer Ausführung, in denen rassistische Täter_innen sich
vor keinen hohen Strafen fürchten müssen und Flüchtlinge Angst vor Rassisten und Polizei haben müssen.Vor allem müssen wir alle dafür kämpfen, dass niemand mehr Angst vor
Abschiebungen haben muss.
Dafür braucht es Gesetze, die es Menschen ermöglicht zu bleiben, wo und wie lange sie wollen.
Und es braucht Menschen, die – so lange es diese Gesetze nicht gibt, Geflüchtete ganz praktisch vor Abschiebungen schützen!Stattdessen werden hier in Deutschland seit der Demontage des Asylrechts von 1993 die Hürden immer nur weiter aufgebaut. Immer mehr Verschärfungen verhindern, dass flüchtende Menschen eine Chance auf Asyl bekommen.
Das neue Asylgesetzt schärft die generelle Kriminalisierung von
Geflüchteten weiter zu indem es Abschiebehaft und Inhaftierungsgründe massiv ausweitet.
Und zeigt, dass die Unerwünschheit und Kriminalisierung, die durch einen rassistischen Anschlag vermittelt wird, auf institutioneller Ebene schon längst Realität ist.
Politiker_innen, die davon sprechen, dass sie schockiert sind über rassistsche Übergriffe, mangeldne Willkommenskultur und das Sterben im Mittelmeer sind, sollten ihre Politik ändern, die genau diese Sachen hervorbringt.
Lasst uns kein Teil dieser Politik sein. Lasst uns gemeinsam zeigen, was aus ehrlicher Solidarität und Anteilnahme folgen muss.
Lasst uns Rassismus, Angst und Unsicherheit etwas entgegen setzen und dafür kämpfen, dass alle Menschen dort leben können, wo sie wollen.
Flucht ist und bleibt kein Verbrechen!“