In der Nacht vom 28. auf den 29. Juni gab es einen Brandanschlag auf die Baustelle einer Flüchtlingsunterkunft in der Solmitzstraße in Lübeck-Kücknitz. Da sich am Tatort rechte Parolen und Aufkleber befanden, geht selbst die Polizei von einem rassistischen Hintergrund aus. Auch wenn der Sachschaden gering ist, reiht sich dieser Anschlag in eine ganze Welle von ähnlichen rassistischen Aktionen ein. Von April bis Ende Mai diesen Jahres wurden bereits 24 solcher Fälle im Umfeld von Flüchtlingsunterkünften registriert.
Die Stimmung in Lübeck wurde in den letzten Wochen vergiftet von den Protesten gegen den Bau einer Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete im Stadtteil Bornkamp, der inzwischen auch von der Lübecker Bürgerschaft abgelehnt worden ist. Dabei sind von Anwohner_innen allerlei absurde bis abstoßende rassistische Positionen öffentlich geäußert worden. Die Inititive „Neue Heimat Bornkamp“ konnte oder wollte keinen klaren Trennungsstrich zu diesem Alltagsrassismus ziehen.
Gleichzeitig versuchte insbesondere die SPD sich als antirassistische Partei zu profilieren, indem sie den Bau der einer Erstaufnahmeeinrichtung mit 500-600 Plätzen befürwortete. Die Geflüchteten selbst und antirassisitische Initiativen wie das Lübecker Flüchtlingsforum aber lehnen den Bau solch großer Einheiten ab. Sie dienen allein den bürokratischen Erfordernissen des offiziellen Asylverfahrens, der Kontrolle der Geflüchteten und der Einsparung von Kosten. Was die Geflüchteten brauchen, ist vielmehr menschenwürdiger, dezentraler Wohnraum und die Sicherheit vor Abschiebung.
Nach den Brandanschlägen der letzten Wochen sind seitens der Politik stets Betroffenheitsbekundungen zu hören. Diese leeren Worte werden umso zynischer, wenn am kommenden Donnerstag, den 2. Juli der neue Gesetzentwurf zur „Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung“ beschlossen werden. Dieses Gesetz zur Verschärfung des Asylrechtes wurde wochenlang hinter verschlossenen Türen zwischen Union und SPD verhandelt. Das Ergebnis: die Inhaftierung und Abschiebung von Geflüchteten werden erleichtert. Der Gesetzesentwurf hat inzwischen schon als „Masseninhaftierungsprogramm“ eine traurige Berühmtheit erlangt. Der strukturelle Rassismus des Staates steht dem personellen Rassismus der Brandstiffter in nichts nach.
Wir sagen dazu: Unter dem Deckmantel einer dringend benötigten Bleiberechtsregelung für Geduldete wird ein Gesetz verabschiedet, das fast jedem Flüchtling das fundamentale Recht auf Bewegungsfreiheit willkürlich entziehen kann. Die nach den zahlreichen Toten im Mittelmeer und den Brandanschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte im eigenen Land so „schockierten“ und „entsetzen“ Politiker heben am Donnerstag ihre Hand für diese schlimmste asylpolitische Gesetzesverschärfung seit 20 Jahren.
Nach dem Gesetzesentwurf soll beispielsweise das Zahlen bestimmter Summen an Fluchthelfer_innen oder die Einreise über ein anderes EU-Land bereits genügen, um wegen „Fluchtgefahr“ in Haft zu kommen. Das ist ein wirklich bodenloser Zynismus: Dadurch dass die EU-Staaten die Grenzen immer stärker abschotten, werden die Menschen auf immer gefährlichere und teurere Fluchtrouten gezwungen. Genau das macht ihnen das neue Gesetz zum Vorwurf, frei nach dem Motto: „Wer nicht ertrinkt, wird eingesperrt!“
Ebenso kritisierten wir die geplante Ausweitung der Aufenthalts- und Einreisesperren. Dies trifft insbesondere Menschen aus Ländern, die pauschal als „sichere Herkunftsstaaten“ eingestuft werden. Eine Roma-Familie aus einem der angeblich sicheren Balkanstaaten, die ihren katastrophalen Lebensbedingungen zu entkommen versucht, kann nach einem erfolglosen Asylantrag ihr Herkunftsland kaum noch auf legale Weise verlassen, denn rundherum ist Schengenland.
Menschen auf der Flucht werden bei uns statt mit Unterstützung mit rassistischen Sondergesetzen, Haft und Abschiebung empfangen.
Aber Flucht ist kein Verbrechen!
Wir fordern gleiche Rechte für alle und globale Bewegungsfreiheit!