75 Jahre Tag der Befreiung in Lübeck

Am 8. Mai 2020 folgten etwa 100 Antifaschist_innen dem Aufruf des VVN-BdA und der DFG-VK zur gemeinsamen Kundgebung. Wir dokumentieren unseren Redebeitrag und einige Fotos.

Videos der Kundgebung findet ihr hier.

Im folgenden dokumentieren wir uneren Redebeitrag:

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen,

wir feiern heute, am 8. Mai die Befreiung von Faschismus und Krieg. Hitler und die Nazis wurden besiegt! Diesen Sieg haben wir dem antifaschistischen Widerstand zu verdanken. Den Widerstandsämpferinnen und -Kämpfern in den Knästen und Konzentrationslagern. Diese haben noch unter schwierigsten Bedingungen die Rüstungsproduktion sabotiert! Diesen Sieg verdanken wir den Partisanen, Überläufern, Kriegsdienstverweigerern und Kämpferinnen und Kämpfern der Antihitlerkoalition. Wir sagen danke!
Dieser Tag darf und sollte mit gutem Recht gefeiert werden!

Aber wir wollen heute nicht nur feiern. Wir wollen auch mahnen und erinnern. Wir stellen uns vor: 1945: Die US Armee nähert sich dem Konzentrationslager Buchenwald. Plötzlich übernehmen die Häftlinge die Leitung des Lagers, von der abziehenden SS, nehmen 125 der Bewacher fest, öffnen die Tore und hissen die weiße Fahne. Das war am 11. April 1945! … Eine Woche nach der Selbstbefreiung des Konzentrationslagers Buchenwald traten die Gefangenen ein letztes Mal auf dem Exerzierplatz des Lagers an. Ein Lager, in dem die Nazis über 51.000 Menschen ermordet hatten. An diesem Ort des faschistischen Grauens, leisteten sie den Schwur von Buchenwald. Ich zitiere aus dem Schwur, der vorhin schon verlesen wurde.

„Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht. Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren gemordeten Kameraden, ihren Angehörigen schuldig.“

Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung…

Heute, 75 Jahre später sagen wir als Antifaschistinnen und Antifaschisten: Wir nehmen uns dieser Aufgabe an! Denn: Über 200 Menschen wurden seit 1990 in Deutschland von Faschisten ermordet. Statt Aufklärung und Schutz der Opfer werden Täter geschützt, Angehörige wurden beschuldigt, Akten vernichtet, Hinweise vertuscht, Morde bagatellisiert und ad acta gelegt. Der deutsche Staat ist eng mit Neonazigruppen verbunden. Das wird nicht zuletzt am NSU-Komplex deutlich. Nicht nur dass fast alle Akten geschreddert wurden, die zur Aufklärung der Verbrechen beigetragen hätten, der NSU wurde auch strukturell durch den Staat in Form von Waffen, Papieren und Geld unterstützt… Das Leben von jüdischen Menschen und Migrantinnen ist hier und heute bedroht. Am 19. Februar – wir erinnern uns – wurden 9 Menschen in Hanau ermordet. Sie wurden aufgrund rassistischer Motive ermordet. Deshalb haben migrantische Organisationen den heutigen Tag, den 8. Mai auch zum „Tag des Zorns“ erklärt und rufen zu vielfältigen Aktionen auf. Sie sind damit eine wichtige Stimme gegen die faschistische Kontinuität in diesem Land- und wir stehen an ihrer Seite. Der jüngste rassistische Mord war am 7.4. in Celle der erst 15jährige Yeside Arkan Hussein Khalaf.

…Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.

Heute 75 Jahre nach der Befreiung, nehmen wir uns der Aufgabe an. Denn: Weltweit führt Deutschland immer noch Kriege. So begründet sich Deutschlands Wohlstand auf Waffenhandel, Mord und Totschlag. Die Bundesregierung genehmigte in den ersten drei Monaten dieses Jahres Rüstungsexporte in Höhe von 1,16 Milliarden Euro. Darunter auch an Länder, die am Jemenkrieg beteiligt sind. In diesem Krieg werden immer wieder Schulen und auch Krankenhäuser gezielt zerstört. Humanitäre Hilfe wird militärisch blockiert. Wer unter diesem Krieg am meisten leidet ist die Zivilbevölkerung, allen vorran die Frauen.

Und nicht nur im Jemenkrieg wird mit deutschen Waffen gemordet.

Auch Erdogans Angriffskrieg auf Nordsyrien fordert weiterhin Opfer. In Nordsyrien, in Rojava leben verschiedenste Religionen und Ethnien friedlich miteinander und bauen eine neue Gesellschaft auf. Basierend auf den Werten: Basisdemokratie, Ökologie und Frauenbefreiung.

Unbeirrt von der Pandemie setzt Erdogan seinen Völkerrechtswidrigen Angriff auf dieses hoffnungsvolle Projekt fort. Drohnenflüge und Artilleriebeschuss sind in der an der Tagesordnung. Deutschland ist einer der größten Profiteure dieses schmutzigen Krieges: Deutsche Panzer und Waffen morden in Rojava. Rheinmetall und Mercedes-Benz haben Militärgeräte geliefert – mit dem Wissen und der Billigung der Bundesregierung. Schluss damit!

Gerade jetzt – Gerade während der Corona Pandemie – ist allerhöchste Zeit zum Umdenken: Wir wollen Pflegepersonal statt Soldat*innen! Und Medizinische Ausstattung statt Kriegsgerät! Zur Veranschaulichung: Der deutsche Gesundheitsetat belief sich im letzten Jahr auf 15 Milliarden Euro. Im Gegensatz dazu: Der Verteidigungshaushalt belief sich auf 45 Milliarden EUR!

Diese Prioritätensetzung für Rüstungsproduktion, Waffenexporte und Militarisierung sagt alles. Das Geld wird ins Militär gepumpt und der Gesundheitssektor kaputt gespart. Obwohl Deutschland eines der reichsten Länder ist, trifft die Pandemie hier ein Gesundheitssystem das schon in normalen Zeiten am Rande der Überlastung steht.

Währenddessen laufen die Geschäfte mit dem Tod ganz ausgezeichnet. Die Auftragsbücher des Rheinmetall-Konzerns quellen über. Rheinmetall ist der größte deutsche Rüstungskonzern. 103 Mio. EUR werden im Mai an die Anteilseigner*innen des Konzerns als Dividende ausgeschüttet. Dieses ganze Geld gehört nicht auf die Konten der Bonzen der Rüstungsindustrie! Das Geld muss abgeschöpft und ins Gesundheitssystem umgeleitet werden!

Krieg zwingt Menschen zur Flucht. Die Corona-Pandemie bedroht die Menschen auf der Flucht und in den Kriegsgebieten zusätzlich. Das gilt für die Flüchtlingslager auf den griechischen Inseln aber es gilt genauso für diejenigen, die in den Kriegsgebieten und Lagern in Nordostsyrien ausharren müssen. Da ist es nicht möglich, Abstand von anderen Menschen zu halten. Und auch nicht hygienische Mindeststandards einzuhalten. Schluss mit der Corona-Zeitbombe in den Lagern: Die Lager gehören evakuiert!

Wir als IL sind Teil des Bündnisses Rheinmetall Entwaffnen. Wir rufen dazu auf, am 19. Mai Orte der Rüstungsproduktion und der politisch Verantwortlichen aufzusuchen und auf vielfältige Weise zu protestieren. Wir fordern den Produktionsstopp von Rüstungsgütern! Die Welt braucht keine Panzer. Sie braucht Krankenwagen. Die Welt braucht keine Bomben. Sie braucht Beatmungsgeräte!

Bauen wir gemeinsam den internationalistischen und antimilitaristischen Widerstand auf! Für eine Welt des Friedens und der Freiheit. Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!